
Adventskalender 2021 – #EntrepreneursForFuture Region Stuttgart
Redaktionsbüro for Future – Reinhard Otter
Was macht einen freien Journalisten zum Entrepreneur for Future? Das frage ich mich selbst oft – und versuche hier mal eine Antwort.
Objektiv, unbestechlich, der Wahrheit verpflichtet. Es gibt zwar keinen Amtseid für Journalistinnen und Journalisten, doch diese Attribute sollten Personen auszeichnen, die in den Medien berichten. Verbreitete Tatsachen müssen belegbar sein, Quellen zuverlässig – und im Zweifel geschützt. Doch, widerspricht das nicht der Ansage „Ich setze mich für Klimaschutz ein“?
Die Wahl der Themen ist entscheidend
Vor ein paar Jahren, ich weiß nicht mehr genau wann, habe ich für mein Redaktionsbüro den Beschluss gefasst: Themen werden unter Klimavorbehalt gesetzt. Positive Effekte fürs Klima müssen in Geschichten zumindest einen Aspekt ausmachen. Ich setze keine Schwerpunkte mehr auf Themen und Technologien, die den Zielen des Klimaschutz-Pfades wiedersprechen. Und ich arbeite nicht für Kunden, die mit Produkten oder Technologien dem Klima schaden.
Gut, Verbrennungsmotoren waren für mich nie ein großes Thema, mal abgesehen von einem kurzen Gastspiels in einer der Benzin-Redaktion bei der Motor Presse während meines Volontariats. Aber zum Beispiel Haustechnik. Oder digitale Consumer-Electronic-Devices. Oder das IoT. Oder die moderne, digitale Steuerungstechnik von Pedelecs. In all diesen Technologien steckt unendliches Potential für eine positive Entwicklung. Man muss sie nur richtig einsetzen. Über deren Einsatz gibt es unendlich viel zu berichten, und wenn das Thema richtig gesetzt ist, die richtigen Fragen gestellt sind, dann geht es ganz automatisch um Klimaschutz, um nachhaltige Investitionen oder schlicht um saubere Technologien. Die Fragen, die ein Technik- und Ratgeberjournalist stellt, sind im Grunde die entscheidenden Stellschrauben für jede Story.
Beispiel Haustechnik: Die Heizung beansprucht rund zwei Drittel des gesamten Energieverbrauchs im Haus. In einem Artikel darüber kann ich zunächst einmal fragen, wie ich mein Heim bei einer Sanierung zum möglichst günstigsten Preis auf den aktuellen technischen Stand mit allen gesetzlichen Anforderungen bringe. Antwort: Gastherme als Durchlauferhitzer, ein Tarif mit garantiertem Biogas- oder Wasserstoffanteil plus neue Fenster und eine Dämmung des Dachs. Dafür muss ich nur ein paar Heizungsinstallateure mit Energieberater-Schein fragen. Mein Fazit: Richtige Antwort, falsche Technologie und auf Dauer ziemlich sicher teurer als klimafreundlichere Varianten.
Wenn die Frage aber lautet, wie ich mein Haus so heize, dass es auch in fünf bis zehn Jahren dem Stand der Technik entspricht und fit ist für eine geplante Betriebszeit von 20 bis 30 Jahren, dann sieht die Antwort ganz anders aus – komplexer und kaum in einem Satz darstellbar. Dann schaut die Lösung für jedes Haus anders aus – starke Dämmung mit Wärmepumpe und Photovoltaik? Holzpelletheizung? Lüftungsheizung mit Wärmerückgewinnung? All das wird ziemlich sicher in der Investition teurer, aber auf Dauer bei steigenden CO2-Preise und Energiekosten günstiger.
Es ist eben eine Frage des Themas.
Was macht ein Redaktionsbüro selbst für die Zukunft?
Solche Erkenntnisse gehen natürlich nicht spurlos an mir vorbei. Mein 2015/16 saniertes Büro im Stuttgarter Süden hat zwar neben topmodernen Fenstern noch eine gasbetriebene Heizung. Andere Varianten sind hier derzeit leider nicht möglich, wobei ich für all die Gasetagenheizungs-Altbauten auf Dauer nur eine zentrale Lösung für die Modernisierung der Heizungen sehe. Klimaneutral betriebene Quartier-Heizzentralen mit Nahwärmeversorgung im Viertel könnten in der Innenstadt eine Lösung sein.
Die aktuelle Heizung wird seit dem Einzug im Jahr 2016 immerhin nach Wetter und Anwesenheit digital gesteuert. Die Luft im Büro hält eine dezentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung frisch und die Wände im feuchteanfälligen Tiefparterre trocken. Unser Heizungsinstallateur hatte so eine Anlage zuvor noch nie in den Händen gehabt. Jetzt ist er um eine Erfahrung reicher.
Ökostrom für IT, Küche und alles Weitere kommt über einen sekundengenau messenden, vernetzten Stromzähler ins Haus, so dass wir in der Bürogemeinschaft jeden Stromschlucker zuverlässig erkennen und ersetzen können. Die Stromkreise für jeden Arbeitsplatz lassen sich über batterielose Funk-Schalter abschalten. Nach Feierabend geht keine Standby-Energie für Arbeitsplatzdrucker oder Monitore drauf.
Ein wichtiger Punkt ist die eigene Mobilität – ein weiteres Drittel an gesellschaftlichem Energiebedarf und Emissionsaufkommen. Der Firmenwagen, einst Steuerspar-Spielzeug und Luxus des Selbstständigen, flog 2017 raus. Seitdem fahre ich privat und beruflich vor allem Bahn, Fahrrad, E-Lastenrad (üppig gefördert vom LÄND) sowie im Zweifel Stadtmobil oder ein Elektroauto aus der Quartiersgarage um die Ecke. Flexibler geht es kaum, und um Winterreifen kümmern sich andere. Ergebnis der Umstellung: Die Kosten für Mobilität – privat wie auch beruflich – sind in den letzten Jahren um 30 bis 40 Prozent gesunken. Trotz des Luxus eines brandneuen, edlen Carbon-Renners als Jobrad. Mehr über die neue Mobilität im Redaktionsbüro steht hier
Wirkung im Umfeld – wir begrünen unser Viertel
Da im Umkreis in Stuttgart-Süd immer mehr Menschen beruflich wie auch privat ihre Autos abschaffen und auf Rad, Lastenrad, Bahn und Carsharing umsteigen, habe ich im letzten Jahr ein paar Berechnungen angestellt: Wie sähe das Stadtviertel aus, wenn für jedes auf diese Weise eingesparte Auto ungefähr ein halber Parkplatz zu Raum für Menschen umgewandelt würde? Mit Bäumen, Bänken, Beeten und Spielgeräten? Antwort: Ein Haufen.
Im Lehenviertel konnten wir so im Kreis einiger Nachbarn die Idee der „Begegnungszone Klein List“ aus dem Jahr 2015 reaktivieren. Auf der Webseite www.lehenideen.de stehen dazu viele Infos, Ideen und Hintergründe. Mitmachen erwünscht! Die Stadt Stuttgart ist mittlerweile tatsächlich in konkreten Planungen, ein solches Projekt im Lehenviertel umzusetzen, zunächst als Verkehrsversuch.
Hier verschwimmt die Grenze zwischen dem Redaktionsbüro R.OT und dem Mensch Reinhard Otter, was ich als großes Privileg empfinde. Wenn man seinen Beruf und sein kleines Freiberufler-Entrepreneurship genau dort ausüben kann, wo man so gerne auch lebt, dann ist das wirklich ein ganz großes Glück – heute und „for Future“.